German Christmas tale: Der Weihnachtsstern, pt. 2 Posted by Sandra Rösner on Dec 29, 2012 in Holidays, Literature
Als Ottar sich darüber klar war, dass es der Stern der Weisen sein musste, den er sah, wurde er so aufgeregt, dass er das Holz einfach fallen ließ, durch die Hoftür hinauslief und die Richtung einschlug, die der Stern wies.
Er versuchte, den Kopf so weit wie möglich in den Nacken zu legen und den Stern nicht aus den Augen zu lassen, während er lief. Er stolperte aber über die hohe Schneekante des Weges, fiel hin und stand wieder auf. Er musste sich damit begnügen, nur dann und wann hinaufzuschauen. Zwischen den Höfen lagen große Abstände, und der Weg lag wie ausgestorben da. Auf jedem Hof war es still, denn hinter den Fensterscheiben hatte man die Lichter der Weihnacht bereits angezündet. Drinnen waren alle zum Fest versammelt, alle, die zusammengehörten, Vater, Mutter und die Kinder. Sie hielten einander an den Händen und sangen und taten alles, um an diesem Abend recht lieb zueinander zu sein. Nur Ottar stapfte in der Dämmerung auf dem Weg dahin. Er dachte aber gar nicht daran, dass er zu bedauern war, auch daran nicht, dass man ihn in Langset vielleicht suchte, dass es immer dunkler wurde und dass er für einen weiten Marsch nicht angezogen war. Sogar der Brief, auf den er gewartet hatte, war jetzt aus seinen Gedanken verschwunden. Ihn erfüllte bis aufs äußerste ein großes, unbekanntes Glücksgefühl: Der Stern der Weisen war noch einmal entzündet worden – für ihn! Wo wollte er mit ihm hin? Führte er ihn zur Mutter oder vielleicht wieder zu einem Stall mit einem Kind in der Krippe – was wusste er? Klopfenden Herzens eilte er dem Wunder entgegen.
Ottar war ziemlich weit gelaufen, als er warm und atemlos wurde und immer langsamer vorankam. Er war in eine unbekannte Gegend gekommen, ja in ein anderes Land. Es wurde jetzt kalt, merkte er, denn er begann zu frieren, und seine Zähne klapperten; hungrig war er auch, fühlte er plötzlich. Der Stern aber wanderte dort oben ruhig von Süden nach Norden, er sah ihn manchmal. Aber nie wollte er sich senken oder über einem Haus oder einer Hütte am Weg stehenbleiben. Ottar steckte die Hände in die Taschen und ging weiter. Der Wind trieb ihm den Schnee ins Gesicht, so dass er den Kopf senken musste. Er hob den Blick nicht mehr so oft zum Stern empor, aber er wusste, dass er dort oben war.
Inzwischen war es ganz dunkel geworden. Die Tannen längs des Weges waren gleichsam in dichteren Reihen aufmarschiert. Er merkte jetzt, dass er tiefen Wald zu beiden Seiten haben musste. Wäre der Stern nicht gewesen, würde er sicher Angst bekommen haben. Er hob den Kopf, um sich seines Begleiters zu vergewissern – da blieb er wie gebannt stehen. Da war nicht nur ein Stern, sondern ein ganzer Haufen! Droben zwischen den Wolken zog jetzt eine ganze Schar desselben Weges.
Mit einem Male gingen ihm die Augen auf, und er erkannte den unbarmherzigen Zusammenhang:
Die Wolken waren gewandert – die Sterne aber standen still. Auch der Weihnachtsstern stand still, er war nur klarer und größer als die anderen und zitterte ein wenig, als ob er fröre. Dass er sich so täuschen konnte! Es war ja jetzt ganz deutlich! Etwas in ihm zerbrach, die Spannung ließ nach, das Wunder war nur ein Trug. Brennend heiß um die Ohren, obwohl es ihn gleichzeitig vor Kälte schüttelte, stand er allein in dem schwarzen Wald. Ottar ist dumm, Ottar ist dumm! Er ging im Takt mit diesen Worten, während er den Weg fortsetzte. Umkehren und heimgehen konnte er nicht, denn dann hätte er erklären müssen, und das konnte er nicht. Und doch lag Ottar eine halbe Stunde später in einem warmen Bett und erzählte einem Mann und einer Frau, die bei ihm saßen, wie alles gekommen war.
Das war so zugegangen: Nils und Oline hatten sich eben an den Weihnachtstisch gesetzt, als es leise und vorsichtig an der Tür pochte. Es hätte ein Vogel sein können, der mit seinem Schnabel pickte. Ihr kleiner Hof lag wohl am Weg – aber wer konnte am Heiligen Abend so spät noch unterwegs sein? Sie erschraken nicht wenig, als der Kleine hereinkam, ein erschöpftes Wesen aus der Dunkelheit und Kälte da draußen.
“Verzeiht – ich bin wohl fehlgegangen”, stammelte er verwirrt. Hier war es so schön warm und behaglich, es roch so gut nach Braten, die zwei am Tisch sahen so gutmütig aus, und in einer Ecke des Zimmers stand ein kleiner Weihnachtsbaum mit Lichtern. Das konnte wohl nicht stimmen.
Dann zeigte es sich, dass es doch stimmte. Die zwei alten Leute hatten alles, was zum Weihnachtsfest gehörte, außer einem kleinen Ottar. Und da stand er nun bei ihnen im Zimmer, hungrig wie ein Wolf, um mit dem guten Weihnachtsessen bei ihnen gesättigt zu werden, durchgefroren, um durch die Wärme bei ihnen aufgetaut zu werden, und gerade so todmüde, dass er gleich zu Bett gebracht werden musste. Sie fragten ihn vorsichtig aus, während sie sich um ihn bemühten und ihn allmählich warm bekamen. Was er ihnen erzählte, berührte ihre Herzen ganz wunderlich. Was er nicht erzählte, errieten sie. Ein Kind, das in der Welt so einsam war, dass es am Weihnachtsabend allein in den Wald ging, war zu ihnen gekommen.
Am Tag darauf kam ein Bote aus Langset. Der Vater war es selbst. Es war ein großer Aufstand gewesen, als Ottar verschwunden war und sie nur die Holzscheite auf dem Hof fanden. Der Weihnachtsabend war auf dem Hof ganz ins Wasser gefallen, nur des fremden Jungen wegen. Die ganze Umgebung war aufgeschreckt worden, aber erst heute war man so weit nach Norden gekommen, bis zu Nils und Oline. Und jetzt sollte der Ausreißer wieder mit nach Langset – bis auf weiteres wenigstens.
“Nein”, sagte Ottar bestimmt. Es entfuhr ihm – bang sah er von einem zum anderen. Dann verkroch er sich wie eine erschreckte Katze unter dem Bett. Es gab keine Schläge. Der Vater ging allein nach Hause.
Nils begleitete ihn in den Gang hinaus, und man hörte, dass sie miteinander etwas besprachen. Es ist schwer zu sagen, wer zufriedener war, der, der ging, oder die, die zurückgeblieben.” Hierauf müssen wir uns einen Herzensstärker zu Gemüte führen”; meine Mutter Oline und holte die Kaffeekanne und einen großen Teller mit Weihnachtskuchen. Dann setzte sie sich freundlich und behäbig an den Tisch und goss ein. Vater Nils, lang und knochig, kam herbei und ließ sich auf der Bank nieder; man merkte, dass er ein wahrer Freund von Kaffee und Weihnachtskuchen war.
Ottar hatte bereit seinen festen Platz neben ihm. Er hielt ein tüchtiges Stück Kuchen in der Hand, vergaß aber hineinzubeißen – sein Blick wurde immer ferner.
“Du musst essen, mein Junge, damit du groß wirst und deine Beine bis auf den Boden reichen wie die meinen”, sagte Nils.
Da schaute Ottar ihn an, als wäre er plötzlich aus dem Schlummer geweckt worden. “Ich möchte nur eins wissen.”
“Na, was denn?”
“Ob es nicht doch der Weihnachtsstern war!”
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About the Author: Sandra Rösner
Hello everybody! I studied English and American Studies, Communication Science, and Political Science at the University of Greifswald. Since I have been learning English as a second language myself for almost 20 years now I know how difficult it is to learn a language other than your native one. Thus, I am always willing to keep my explanations about German grammar comprehensible and short. Further, I am inclined to encourage you to speak German in every situation. Regards, Sandra
Comments:
Carrie:
Hello Sandra, can you contact me?
Best wishes,
English native learning German!
Carrie